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Lyrische Poesie von A.G. Čulina
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Alpenblume

Valerie, ein achtzehnjähriges Mädchen wartete gespannt auf das Ende des Schuljahres und den Tag, an dem sie mit ihrem älteren Bruder Domagoj und den Eltern zu ihren Großeltern nach Dalmatien in Urlaub fahren würde. So, wie sie sich aufs Baden und die Meereswonnen freute, so freute sie sich auf die Begegnung mit ihrem Großvater Gregor, einem alten Mann, der das achte Jahrzent seines Lebens und eine lange Dienstzeit auf einem Seeschiff auf seinem Rücken trug. Er war ein echter Dalmatiner, ein Mann aus Stein und Bora.

Valerie war seine jüngste und damit auch die liebste Enkelin. Schon als Mädchen nahm er sie zum Baden mit, planschte im Flachwasser mit ihr herum und lud sie später mit Domagoj auf ein Eis ein. Wenn die Nacht hereinbrach und die Sterne zu funkeln begannen, erzählte er ihnen auf der Veranda von seinem Seemannsleben und den fernen Häfen. Mit Vergnügen hörten sie ihm zu und ihn laut baten, noch mehr zu erzählen, sodass sie bis spät in die Nacht da saßen. Gregor verbrachte die meiste Zeit in seinem von Trockenmauern umfriedeten Olivenhain, in dem er Lavendel, Agaven und Salbei pflanzte, die er vor ein paar Jahren vom Velebit-Gebirge mitgebracht hatte, als er zu den Gipfeln ging und von oben auf das offene Meer blickte und sich nach der Schifffahrt sehnte.

Mit Freude pflückte Valerie die Lavendelblüten und gab sie nach der Rückkehr an die Freundinnen weiter und prahlte damit, dass sie aus dem Olivenhain ihres Großvaters stammen. Sie liebte es besonders, mit ihrem Großvater im Olivenhain zu sein, wenn der Maestrale wehte und die Olivenzweige sanft bewegte. Eines Nachmittags, als sie die Schönheit genoss, fragte ihn Valerie: "Opa, warum bearbeitest du ausgerechnet diesen Baum am besten? Jedes Jahr, wenn ich komme, bewundere ich die Schönheit seiner Baumkrone, die voller Früchte ist. Wenn du in seinem Schatten ruhst, als würdest du dich verjüngen, und deine Augen erstrahlen vor Glück." Während sie so sprach, starrte Gregor die Velebit-Bläue an. Seine Gedanken schienen woanders zu sein, und die grauen Haare und das Marine-Shirt flatterten im Wind. Er drehte sich zu dem Olivenbaum um, umarmte ihn mit dem Blick und sprach:

"Du hast es gut bemerkt, mein Kind. Bisher hat mich niemand danach gefragt", und bat sie, sich mit ihm auf eine Steinbank hinzusetzen, wo er sich seit Jahren ausruht. Valerie sah ihn neugierig an und wartete auf seine Geschichte. Gregor zog die Pfeife aus der Tasche, zündete den Tabak an und blies dann mehrmals den Rauch, wie einst in seinen jüngeren Tagen.

"Es ist lange her, aber einige Erinnerungen verblassen nie", begann Gregor mit müder Stimme. "Ende September segelten wir von Dubrovnik nach Koper und fuhren in- und ausländische Touristen. Es war mein zweites Schiff, auf dem ich noch ein Kadett war. Unter den Passagieren befanden sich die Schülerinnen der Handelsschule aus Kranj, die auf einem Abschlussausflug waren. Sie kamen für fünf Tage mit dem Bus nach Dubrovnik, von dessen Schönheit alle stark beeindruckt waren. Als das Schiff von Ufer aus ablegte, herrschte unter ihnen große Begeisterung.

Es war ihre erste Schiffsreise. Von den ersten zurückgeleg-ten Meilen und dem Blick auf die Insel Mljet waren sie einfach berauscht. Mit ihrer Jugend und dem Lachen, das nie aufhörte, faszinierten sie alle Reisenden. Nach einer Tagesschicht gesellte ich mich zu ihnen auf das Oberdeck, wo sie sangen und mich gern in ihre Gesellschaft aufnahmen, als ich anfing, Gitarre zu spielen. Eine von ihnen saß neben mir. Sie war schön, hatte kurze Haare und ihre Augen strahlten vor seltsamer Wärme. Sie sang wunderschön. Mir ist, als würde ich noch immer ihre liebliche Stimme hören." Einen Moment hielt er inne, um die Pfeife zu reinigen, und fuhr fort. "Sie sagte, sie heiße Erika und sie liebe dalmatinische Lieder. Am nächsten Tag, als das Schiff in den Hafen von Koper einlief, und ich mich mit den anderen Crewmitgliedern zum Festmachen des Schiffes fertig machte, kam sie zum Bug, um sich zu verabschieden. Hübscher als gestern Abend sah sie aus. Es war, als hätte ich die Seesirene vor Augen. Seitdem erhielt ich jede Woche ihre Briefe.

Die Schönheit ihrer Seele verbarg sich im Inhalt der Briefe, die ich mehrmals las. Im folgenden Sommer verbrachte ich die Ferien mit Erika. Am Tag vor ihrer Abreise haben wir diesen Olivenbaum gepflanzt, unter dem wir nun sitzen." Er sah Valerie an, die aufmerksam zuhörte und lächelnd zu ihm sagte: "Erzähl, Opa, ich glaube nicht, dass das alles ist." "Natürlich nicht, danach ging ich an Bord eines Überseeschiffs und erhielt Briefe von Erika, jetzt aber wegen der Entfernung seltener. Auf so einer Schifffahrt bleiben die Seeleute länger an Bord. Einige sogar über ein Jahr. Nach zehnmonatiger Seefahrt, meldete sich Erika aus Berlin und sagte mir, sie sei es leid, auf mich zu warten. Seitdem habe ich sie nie wieder gesehen oder etwas von ihr gehört. Meine Alpenblume, wie ich sie damals nannte." Valerie sah ihren Großvater an, erfreut über das Ende der Geschichte, und sagte: "Sobald ich Oma bin, werde ich meinen Enkelkindern die Geschichte über diesen Oliven-baum und deine Alpenblume erzählen."

© Ante Skazlić (1956)

Aus dem Kroatischen von: Ante Gune Čulina



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